Chappaquiddick | Diesen Artikel weiterempfehlen! |
Am Wochende des 18./19. Juli 1969 wollte Senator Edward Moore Kennedy zusammen mit einigen Freunden und Bekannten an einer Segelregatta im Hafen von Edgartown teilnehmen. Dabei handelt es sich um eine traditionelle Veranstaltung, die Mitglieder der Familie Kennedy bereits seit über dreißig Jahren besuchten. Für die Damen waren Zimmer im Katama Shores Motor lnn reserviert, während die Herren, einschließlich des Senators, im Shiretown Inn eincheckten. Am Freitagabend besuchte man ein Barbecue in einem gemieteten Bungalow auf der zu Edgartown gehörenden kleinen Insel Chappaquiddick.
Kennedy verließ die Party vorzeitig um nach eigenen Angaben zurück ins Hotel zu fahren. Begleitet wurde er von Mary Jo Kopechne , einer 28 jährigen Lehrerin und Wahlkampfhelferin, die er in ihrem Hotel absetzen wollte. Auf dem Weg zur Fähre fuhr er an einer Linksabbiegung jedoch nach rechts und bog in einen Feldweg (Dike Road) ein. Nur Augenblicke später, nach weniger als einer Meile, verfehlte Kennedy eine Brücke. Das Auto flog mehrere Meter weit durch die Luft, überschlug sich und stürzte in einen knapp drei Meter tiefen Kanal. Dabei wurde das Fahrzeugdach eingedrückt.
Edward Kennedy erlitt eine leichte Gehirnerschütterung, blieb ansonsten jedoch unverletzt und konnte aus dem untergegangenen Wrack an die Oberfläche und ans rettende Ufer gelangen. Jedoch erst am nächsten Morgen nach 10 Uhr gestand der Senator dem örtlichen Polizeichef in Edgartown, er sei mit seinem Oldsmobile verunglückt. Die Leiche von Mary Jo Kopechne und das Fahrzeugwrack waren zu diesem Zeitpunkt bereits geborgen worden.
Ob alle Angaben des Senators der Wahrheit entsprechen, kann nicht lückenlos rekonstruiert werden. Der Verdacht kam auf, Edward Kennedy habe die Polizei zunächst nicht alarmiert, weil sonst Alkohol in seinem Blut nachgewiesen worden wäre. Dies verneinte er jedoch auch auf spätere Nachfragen immer wieder.
Laut Kennedy habe er die Party mit Kopechne gegen 23.15 Uhr verlassen, was auch von anderen Teilnehmern bestätigt werden konnte. Ein Hilfssheriff will jedoch gegen viertel vor eins in der Nacht ein großes schwarzes Auto in die Dike Road einbiegen gesehen haben. Er merkte sich Teile des Nummernschildes, welche mit dem Nummernschild des von Kennedy gesteuerten Fahrzeuges übereinstimmten. Es hätte jedoch keinen Sinn gemacht, um diese Zeit die Fähre anzusteuern, da diese nur bis Mitternacht in Betrieb war. Weiterhin stellt sich die Frage, warum Kopechne ihre Handtasche im Bungalow zurücklassen sollte, wenn sie denn ins Hotel zurück wollte? Allerdings wurde die Handtasche einer der anderen Damen in seinem Fahrzeug gefunden. Dies könnte bedeuten, dass sie entweder die Handtaschen verwechselt hatte, oder aber die andere Handtasche von ihrer Besitzerin zu einem früheren Zeitpunkt dort vergessen wurde.
Die Version vom irrtümlichen Falschabbiegen erschien einigen Kritikern insoweit unglaubwürdig, als dass die örtliche Beschilderung wohl ausreichend übersichtlich sei. Kennedy meinte, er habe seinen Fehler zu spät bemerkt und keine Möglichkeit zum Wenden gehabt. Da die Beschaffenheit des Feldweges und das damit verbundene Fahrverhalten ihm jedoch hätte auffallen müssen, äußerte auch der zuständige Richter die Vermutung, er sei absichtlich in die Dike Road eingebogen.
Edward Kennedy sagte aus, er sei sofort nach dem Unfall sieben- oder achtmal getaucht und habe versucht, seine Begleiterin aus dem Wrack zu befreien, aber es sei ihm nicht gelungen. Dann habe er erschöpft pausiert, bevor er zum Bungalow zurückgelaufen sei, um Hilfe zu holen. Zwei seiner männlichen Gäste wollen dann eine dreiviertel Stunde lang erfolglos Rettungsversuche durchgeführt haben. Anschließend ließ sich Ted zur Fähre bringen, die zu dieser Zeit jedoch nicht mehr verkehrte. In einer - nach eigenen Angaben - "Kurzschlusshandlung" sprang Kennedy ins Wasser und schwamm ans andere Ufer. Jedenfalls kam er gegen 2:00 Uhr ins Shiretown Inn.
Am anderen Morgen rief er einen mit ihm befreundeten Rechtsanwalt an, allerdings nicht von einem Apparat des Hotels in Edgartown, sondern aus einer Telefonzelle auf Chappaquiddick. Vom Fährmann erfuhr er wohl, dass Kopechnes Leiche geborgen worden war, und meldete sich dann bei der Polizei in Edgartown. Dort erklärte er sein Verhalten einschließlich der verzögerten Meldung mit einem "Schockzustand".
Laut dem stellvertretenden Bezirksamtsarzt ertrank Mary Jo Kopechne. Die Taucher, die ihre Leiche bargen, vermuteten, dass man sie bei sofortiger Alarmierung hätte retten können. Ein Hauptmann des Rettungs- und Taucherdienstes der Feuerwehr in Edgartown meinte, sie habe nach seiner Meinung nach dem Unfall eine bewusste Position eingenommen und somit noch drei oder vier Stunden mit dem Kopf in einer Luftblase überlebt. Bei rechtzeitiger Verständigung hätte er sie jedoch innerhalb von ca. 25 Minuten bergen und somit retten können.
Kennedy bekannte sich in der Verhandlung des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig und wurde am 25. Juli 1969 zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der Bezirksstaatsanwalt verzichtete auf eine Anklage wegen Totschlags, insbesondere weil nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnte, dass das Opfer unter anderen Umtänden hätte gerettet werden können. Mit der Familie Kopechne erzielte Kennedy eine außergerichtliche Einigung durch Zahlung von 50.000$ aus Kennedys Versicherung und 90.904$ aus seinem Privatvermögen.
Unter Experten gilt als sicher, dass der Unfall und Kennedys anschließendes Verhalten seine Chancen auf einen erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf zunichte machten. ♦