Attentat auf Robert Kennedy

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Robert Francis Kennedy verließ im Herbst 1964 die Regierung von Präsident Johnson und kandidierte erfolgreich für das Amt des Senators des Bundesstaates New York. Als Johnson dann bei den ersten Präsidentschafts-Vorwahlen überraschend schlecht abschnitt, meldete Kennedy am 16. März 1968 seine Kandidatur an. In den nächsten Monaten sollte sich der innerparteiliche Kampf hauptsächlich zwischen Kennedy und seinem ebenfalls eher linksorientierten Gegenspieler Eugene McCarthy abspielen. 

Der jüngere Bruder des ermordeten Präsidenten stieß vielerorts auf extrem positive Resonanz und nicht wenige Unterstützer sahen bereits vor ihrem geistigen Auge den nächsten Kennedy im Weißen Haus. Nach Siegen in Indiana und Nebraska sowie einer Niederlage in South Dakota stand nun Kalifornien an. Und auch hier kam es zu einem Sieg für Kennedy, der damit einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Präsidentschaft unternahm. Dieser war auch dringend nötig, da er zu diesem Zeitpunkt trotzdem noch deutlich hinter seinem Parteikollegen und Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey lag. 

Die demokratische Partei hatte für die Vorwahlen in Kalifornien ihr Hauptquartier im Ambassador Hotel in Los Angeles aufgeschlagen. Hier fand dann am Abend des 04. Juni 1968 eine Siegesfeier statt, auf der Bobby Kennedy einige Dankesworte an die anwesenden Gäste und Wahlkampfhelfer richtete. Kurz nach Mitternacht beendete er seine Rede mit den Worten: "Ich danke euch allen. Und nun nach Chicago zum nächsten Sieg. Vielen Dank."
Genau in diesen Sekunden trafen seine Wahlkampfmanager eine folgenschwere Entscheidung: der ursprüngliche Weg sollte den Kandidaten nach dem Verlassen der Bühne direkt zu einem Hinterausgang führen. Jedoch befand sich das Büro der Pressevertreter in einem Raum in entgegengesetzter Richtung. Es fiel der spontane Entschluss, hier noch kurz vorbeizuschauen um insbesondere den Printmedien noch etwas Stoff für die Ausgabe des nächsten Tages zu liefern. So führte sie nun ein leitender Angestellter durch die sogenannte "Kaltküche", einem schmalen Bereich neben der eigentlichen Hotelküche. Es war ein ganzer Tross von über 70 Personen der sich um Kennedy herum durch diese Verengung zwängte und sich gegenseitig vorwärts schob. Inmitten dieses Trubels voller "Bobby! Bobby!"-Rufe, Musik aus dem Ballsaal und platzender Ballons vielen plötzlich mehrere Schüsse, was einige Beteiligte erst gar nicht registrierten. Andere warfen sich sofort auf den Schützen und versuchten zunächst vergeblich, ihm die Waffe zu entreißen, während dieser noch weitere Schüsse abgab. Fernsehaufnahmen gibt es direkt zum Attentat keine. Die ersten Kameras wurden erst unmittelbar nach den Schüssen eingeschaltet. Sie zeigen nun ein totales Chaos, in dem sich einige um die Verletzten zu kümmern versuchten. Andere riefen dazu auf, den Bereich zu verlassen und schnell verbreitete sich die Nachricht auch im großen Ballsaal. Der Tenor unter den Menschen war: "Mein Gott – nicht schon wieder..."

Trotz oder vielleicht gerade wegen der vielen Zeugen weichen die Aussagen über das, was damals genau in jenem Küchengang geschah, zum Teil stark voneinander ab. Hier kommt ein für solche Ereignisse typisches Phänomen zum tragen: in einer plötzlich eintretenden Situation wie z.B. einem Unfall, einem Banküberfall oder eben einem Attentat können sich die Augenzeugen oftmals sehr gut an den Anfang und das Ende des Ereignisses erinnen. Alles, was dazwischen liegt, besteht meist aus Erinnerungsschnipseln. Das Unterbewusstsein versucht nun, die losen Enden zu einem logischen Ablauf zusammenzufügen. Daraus resultiert nicht selten eine vermeintlich objektive Beschreibung von etwas, dass so nie stattgefunden hat.

Die offizielle Darstellung der ermittelnden Behörden besagt, dass der stellvertretende Restaurantleiter Karl Uecker (auf vielen Internetseiten und in Videos auch oftmals fälschlich als "Hoteldirektor" bezeichnet) Kennedy aufgrund der Ortskundigkeit durch den internen Bereich in Richtung des eingerichteten Presseraumes führte. Als Kennedy einem Hilfskellner die Hand schüttelte, fasste Uecker ihn am rechten Unterarm, um ihn weiter nach vorne zu ziehen. In diesem Moment näherte sich aus der Gegenrichtung ein junger Mann mit einem Revolver in der rechten Hand. Er gab vier Schüsse in Richtung Kennedys ab, bevor sich Uecker und weitere Helfer auf ihn stürzen konnten. Zur damaligen Zeit stand einem Präsidentschaftskandidaten noch kein Schutz durch den Secret Service zu. Dies änderte erst Präsident Johnson unmittelbar nach jenen tragischen Ereignissen. Die Familie Kennedy hatte jedoch zwei private Personenschützer für Robert und seine ebenfalls anwesende Frau Ethel für den Zeitrahmen der Präsidentschaftswahlen engagiert. Dabei handelte es sich jedoch nicht um professionelle und entsprechend ausgebildete Personen, sondern um die ehemaligen Sportler Rafer Johnson und Rosey Grier. Beide halfen bei der Überwältigung des Täters, konnten das Attentat selbst jedoch nicht verhindern. Das gilt leider auch für den eigentlichen Personenschützer von Bobby Kennedy. William Barry ging auf der linken Seite des Kandidaten, als die Schüsse fielen. Darüber hinaus war von Seiten des Hotels noch kurzfristig ein bewaffneter Wachmann eingestellt worden. Eugene Cesar trug eine Uniform und hatte seinen Posten zunächst im Küchengang. Als Kennedy kam lief er ihm unmittelbar hinterher und stürzte mit ihm zu Boden, als dieser rückwärts auf ihn fiel. Der Täter wurde von den Anwesenden auf einen Warmhaltetisch gedrückt. Es gelang jedoch nicht sofort, ihm die Waffe zu entreißen, sodass er noch vier weitere Schuss abgeben und somit das gesamte Magazin seines Revolvers abfeuern konnte. 

Im Moment des ersten Schusses duckte sich Bobby Kennedy etwas nach rechts weg und statt ihm wurde der Wahlkampfhelfer Paul Schrade in den Kopf getroffen. Die nächsten zwei Schüsse drangen unterhalb der rechten Achsel in den Oberkörper ein, wobei eine Kugel im Körper verblieb und die andere nur Gewebe durchschlug und wieder austrat. Die dritte Kugel verursachte nur ein Loch im Anzug und landete wohl in der Deckenverkleidung. Erst der vierte Schuss war schließlich tödlich. Er drang direkt hinter dem rechten Ohr in den Kopf ein. Auch die letzten drei Schüsse trafen weitere Personen im Raum. Neben Kennedy und Schrade wurden noch vier Personen verletzt, die jedoch alle überlebten. Der Küchenboden war aus Beton und es befanden sich Regale aus Metall vor Ort. Dies ermöglichte Querschläger und einschließlich der beiden nicht in Kennedy aufgefundenen Kugeln lässt es sich kaum noch genau feststellen, welche Kugel schließlich noch wen verletzt hat. Kennedy selbst wurde ins Good Samaritan Hospital gebracht, wo er das Bewusstsein jedoch nicht wiedererlangte und rund 26 Stunden später, am 06. Juni um 01:44 Uhr Ostküstenzeit, verstarb.   

Der überwältigte Schütze war der damals 24-jährige Palästinenser Sirhan Bishara Sirhan. Er ist der Sohn palästinensischer Eltern christlichen Glaubens und gehörte bereits als Jugendlicher den verschiedensten religiösen Glaubensrichtungen beziehungsweise -bekenntnissen an, unter anderem auch dem Baptismus. In seinem Hotelzimmer wurde ein Tagebuch gefunden, in dem der Satz "RFK must die" in ungewöhnlich repetitiver Weise wieder und wieder notiert war – womöglich im Zusammenhang damit, dass Kennedy sich wenige Tage zuvor außenpolitisch auf die Seite Israels gestellt hatte. Als Tatwaffe diente ihm ein Iver-Johnson-Revolver, Kaliber 22 mit einer Acht-Schuss-Trommel. Sirhan selbst gab im Prozess an, er könne sich an die Tat überhaupt nicht erinnern. Er sei erst wenige Minuten später während seiner Verhaftung wieder zu Bewusstsein gekommen.  

Obwohl die Polizei von Los Angeles, die unter FBI-Beteiligung für die Ermittlungen zuständig war, nicht müde wurde zu betonen, dass es hier nicht die gleichen Pannen wie in Dallas geben würde, musste auch sie sich einige Fehler vorwerfen lassen. So wurde es versäumt, den Tatort frühzeitig abzusichern und auch alle anwesenden Schusswaffen sicherzustellen. Auch wurden etliche Beweismittel nach den vermeintlich abgeschlossenen Untersuchungen vernichtet. Beim Abgleich zwischen den Augenzeugenberichten, den Tatortuntersuchungen und dem pathologischen Bericht entstanden insbesondere folgende Ungereimtheiten:

Alle vier Kugeln, die Kennedy trafen oder streiften, kamen von hinten. Darüber hinaus muss der Schuss hinter dem Ohr aus weniger als 7cm abgegeben worden sein, während die Zeugen jedoch von 45cm bis 2 Metern sprachen. Dies ließe den Schluss zu, es habe einen weiteren Schützen gegeben. In Verdacht geriet hierbei der Sicherheitsmann und Kennedy-Gegner Eugene Cesar, der mit seiner Waffe direkt hinter Kennedy stehend diesen erschossen haben könnte, während sie zusammen nach hinten fielen. Auch seine Waffe wurde vor Ort weder sichergestellt noch untersucht. Er besaß sowohl einen Revolver vom Kaliber 22 als auch vom Kaliber 38. Nach eigenen Angaben hatte er im Hotel seinen '38er dabei und seinen '22er zu diesem Zeitpunkt bereits verkauft. Der Verkauf konnte nicht nachgewiesen und die Waffe nie gefunden werden. Journalisten konnten jedoch beim Käufer der Waffe eine Quittung einsehen, welche auf ein Datum drei Monate nach dem Attentat ausgestellt war. Die Waffe selbst sei inzwischen gestohlen worden. Cesar machte unterschiedliche Angaben darüber, zu welchem Zeitpunkt er während des Attentats seine Waffe gezogen habe. Eine direkte Verschwörung zum Mord zwischen Cesar und Sirhan erscheint jedoch eher fraglich, da sich der Sicherheitsmann genau in der Schusslinie befunden hatte. Ein versehentlicher Schuss beim Niederfallen wäre zwar denkbar, würde aber nur einen der vier Schüsse plausibel erklären. 

Eine eher nachvollziehbare Version lieferte eine Rekonstruktion aus dem Jahre 2004. Der erste Schuss verfehlte Kennedy und traf Schrade. Daraufhin duckte sich Kennedy und dreht sich von Sirhan weg. Gleichzeitig drängte ihn die nachfolgende Menschenmenge in Richtung des Schützen, den man nun zu überwältigen versuchte. Die weiteren abgegebenen Schüsse erfolgten nun von unten nach oben und Kennedy stürze in Richtung der Waffe. Dieser Ablauf wurde zwar als theoretisch möglich nachgestellt, konnte von den Augenzeugen so jedoch nicht bestätigt werden.

Fakt ist, dass keine der beiden in Kennedys Körper gefundenen und deformierten Kugeln zweifelsfrei der Tatwaffe zugeordnet werden konnte. Diese und andere Fragen lassen sich durchaus nachvollziehbar erklären. Ein weiterer Kritikpunkt sind jedoch zwei vermeintliche Einschüsse in einem Türrahmen. Ein FBI-Agent vor Ort hatte diese zunächst grob in Augenschein genommen und dabei festgestellt, dass beide Kugeln noch im Holz steckten. Etwas später hatte ein Polizist der Motorradstreife, der jedoch in ballistischen Fragen nicht ausgebildet und unerfahren war, die für ihn als Einschüsse erkennbaren Löcher entsprechend markiert. In den nächsten Tagen wurde der Holzrahmen abgebaut und zur Untersuchung sichergestellt. Laut offiziellem Bericht und Aussage des zuständigen Leiters der Polizei von Los Angeles konnten die Löcher nicht als Einschusslöcher identifiziert und keine Kugeln aufgefunden werden. Da der Rahmen anschließend vernichtet wurde, bleibt in diesem Punkt die Situation von "Aussage gegen Aussage" zwischen Polizei und FBI. 

Sirhan wurde am 23. April 1969 zunächst zum Tod in der Gaskammer verurteilt. Eine Änderung in der Gesetzgebung führte später jedoch zur Umwandlung in eine lebenslange Freiheitsstrafe, die er in den nächsten Jahrzehnten im Hochsicherheitstrakt der Strafvollzugsanstalt Corcoran (nördlich von Los Angeles) verbrachte. Ende 2009 wurde er in das nur wenige Kilometer entfernte Pleasant Valley State Prison in Coalinga verlegt. Im Februar 2016 wurde sein 15. Begnadigungsersuchen abgelehnt. Ende 2021 hatte sein 16. Versuch zunächst Erfolg, scheiterte aber letztlich am Veto des amtierenden Gouverneurs von Kalifornien. Gleichzeitig versucht er seit vielen Jahren einen neuen Prozess zur Feststellung seiner Unschuld zu erwirken. Unterstützung erhält er dabei u.a von jenem Paul Schrade, der bei den Schüssen selbst schwer verletzt wurde.

Der Sarg mit dem Leichnam von Bobby Kennedy wurde zunächst von Los Angeles nach New York geflogen, wo am 08. Juni in der St. Patrick's Cathedral ein Trauergottesdienst stattfand. Anschließend ging es per Privatzug weiter nach Washington. Tausende von Menschen säumten die Strecke, für die ganze acht statt der üblichen vier Stunden gebraucht wurden. In New Jersey erfasste ein entgegenkommender Zug trotz Langsamfahrt und Signalhorn zwei der Zuschauer und tötete sie. Um 22:30 Uhr wurde Robert F. Kennedy auf dem Ehrenfriedhof von Arlington, nur wenige Meter von seinem 1963 ermordeten Bruder John entfernt, beerdigt. ♦


Persönliche Homepage des
Kennedy-Sammlers

Peter W. Klages